Heute vor 65 Jahren: Österreich gewinnt „Hitzeschlacht von Lausanne“

Der 26. Juni 1954 markiert die WM-Sternstunde in der Geschichte des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB): An diesem Tag besiegte das ÖFB-Team im Rahmen der Weltmeisterschaft in der Schweiz im Viertelfinale in Lausanne den Gastgeber trotz 0:3-Rückstandes mit 7:5, legte damit die Basis für Rang drei, den größten ÖFB-Erfolg überhaupt, und sorgte zudem für das trefferreichste Spiel in der WM-Geschichte.

Vier Tage nach dem Triumph folgte jedoch im Semifinale mit dem 1:6 gegen den späteren Weltmeister Deutschland die große Ernüchterung. Doch immerhin blieb den Schützlingen von Teamchef Edi Frühwirth durch ein 3:1 am 3. Juli gegen den damaligen Titelverteidiger Uruguay noch der dritte Platz als Trostpflaster.

Ernst Happel, Ernst Ocwirk, Gerhard Hanappi oder Erich Probst waren die herausragenden Spieler einer Mannschaft, die vor 65 Jahren zur absoluten Welt-Elite zählte. Beim legendären Sieg über die Eidgenossen stand freilich ein anderer Spieler im Mittelpunkt: Torhüter Kurt Schmied erlitt vor 30.000 Zuschauern im „Stadion Olympique“ bei Temperaturen von über 40 Grad im Schatten schon nach rund 20 Minuten einen Sonnenstich, musste aber durchspielen, weil damals Auswechslungen noch nicht erlaubt waren.

„Ich habe noch mitbekommen, wie wir 0:3 in Rückstand geraten sind, danach weiß ich überhaupt nichts mehr“, erinnerte sich Schmied, der am 9. Dezember 2007 im 82. Lebensjahr starb, im Jahr 2004 im Gespräch mit der APA an die „Hitzeschlacht von Lausanne“ zurück. Während seine Team-Kollegen wie entfesselt das Schweizer Tor bestürmten und Treffer um Treffer aufholten, herrschte in der medizinischen Abteilung des ÖFB Hochbetrieb, um den angeschlagenen Goalie auf den Beinen zu halten.

Masseur Ullrich versorgte den Brummschädel des wankenden Schmied mit Eisbeuteln und dirigierte den Benommenen bei Angriffen der Schweizer von einer Torstange zur anderen. „Pass auf Kurtl, sie kommen schon wieder“, warnte er seinen Tormann, der zudem in der Pause von Teamarzt Jellinek eine Injektion verpasst bekam, vor drohender Gefahr durch die Eidgenossen.

Die Hausherren vermochten die Indisposition des österreichischen Keepers jedoch nicht auszunützen. Nach dem 0:3 nach 18 Minuten starteten die Österreicher ein Angriffs-Furioso und stellten durch Treffer von Wagner (2), Körner II (2) und Ocwirk von der 25. bis zur 34. Minute auf 5:3, ehe es mit 5:4 in die Pause ging. Ein Mitgrund für die Aufholjagd war, dass die Eidgenossen ebenfalls ein Hitzeopfer zu beklagen hatten.

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„Bei uns hatte Verteidiger Roger Bocquet auch einen Sonnenstich. Das war unser bester Verteidiger. Der hat auch nichts mehr mitgekriegt. Es war ja unmöglich, bei dieser Hitze zu spielen. Wir haben ja 3:0 geführt und hätten nicht gedacht, dass wir noch verlieren würden“, sagte der mittlerweile Verteidiger Charles Casali 2008 der APA. Und der Schweizer Verbandssprecher Pierre Benoit merkte zu der denkwürdigen Partie an: „Damals wurde ja so ziemlich alles getan, was heute aus medizinischer Sicht unmöglich ist. Es wurde zu wenig getrunken zum Beispiel. Heute gibt es Kühljacken in der Pause. Solche Sachen hatten sie damals ja nicht.“

Auch nach dem Seitenwechsel verlor die Partie nichts von ihrer Dramatik. Wagner sorgte mit seinem dritten Treffer (54.) nur für die vermeintliche Vorentscheidung, die Schweizer holten in der 60. Minute noch einmal ein Tor auf, ehe Probst in der 77. Minute endgültig den Sack zumachte.

Schmied, der bis zum Ende tapfer durchgehalten hatte, war schon wenige Tage danach wieder völlig genesen, die Erinnerung an einen der berühmtesten Auftritte einer österreichischen Mannschaft blieb aber verloren. „Alle anderen haben mir später immer in höchsten Tönen vorgeschwärmt, was das für ein großartiges Match war. Und ich habe halt immer drauf gesagt: ‚Ihr könnt’s mir eh alles erzählen, ich weiß ja nichts mehr'“, sagte der langjährige Vienna-Goalie, der mit dem Traditionsklub 1955 den sechsten und bisher letzten Meistertitel feierte.

Für das Semifinale gegen Deutschland vier Tage nach der Hitzeschlacht meldete sich Schmied fit, Teamchef Frühwirth vertraute aber lieber auf Walter Zeman, der nach dem 1:6 gemeinsam mit Happel als Sündenbock auserkoren wurde. „Wie die Beiden nach diesem Spiel behandelt wurden, war eine Frechheit. Da war sogar davon die Rede, sie hätten das Spiel verkauft, ein absoluter Blödsinn. Happel hatte eben nicht seinen besten Tag und Zeman war angeschlagen, weil er sich davor im Training das Knie verdreht hatte.“

Beim 3:1 gegen Uruguay im Spiel um Platz drei stand Schmied wieder zwischen den Pfosten. „Immerhin kann ich sagen, dass ich ohne Niederlage WM-Dritter geworden bin“, betonte Schmied mit einem Schmunzeln. Im Finale, mittlerweile unter dem Synonym „Wunder von Bern“ geläufig, im Wankdorfstadion drückte der Schlussmann dann gemeinsam mit seinen Teamkollegen den hoch favorisierten Ungarn („Das war eine fantastische Mannschaft“) erfolglos die Daumen.

(APA)

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